Betreff
Die neue Landesbauordnung
Hier: Was ändert sich für die Gemeinden?
Vorlage
Stadt/002525
Art
Beschlussvorlage Stadt Wyk

Beschlussempfehlung:

 

Zur Kenntnisnahme.

Sachdarstellung mit Begründung:

 

Am 1. September wird die neue Landesbauordnung in Kraft treten. Die Vorschriften wurden so weit, wie unter Berücksichtigung der Landesbelange möglich, an die Musterbauordnung der Bauministerkonferenz angeglichen. Ziel ist es, das Bauordnungsrecht der Länder zu harmonisieren. Auf diese Weise sollen die Planungs- und Realisierungsprozesse spürbar erleichtert werden.

 

Die Gemeinden werden unmittelbar durch folgende Änderungen betroffen:

  1. im Genehmigungsverfahren,
  2. bei der Genehmigungsfreistellung,
  3. bei der Erteilung von Abweichungen, Ausnahmen und Befreiungen vom Ortsrecht zu verfahrensfreien Vorhaben,
  4. beim Erlass von Stellplatzsatzungen und der Ablöse.

 

1. Genehmigungsverfahren:

 

a) Hintergrund

Im Baugenehmigungsverfahren wird die Vereinbarkeit des Vorhabens mit den öffentlich-rechtlichen Vorschriften festgestellt. Der Baubeginn ist infolge der Erteilung der Baugenehmigung allerdings noch nicht ohne weiteres zulässig. Um mit der Bauausführung beginnen zu dürfen, müssen erst die bautechnischen Nachweise erstellt sein und ggf. bauaufsichtlich geprüft vorliegen, so insbesondere zur Standsicherheit und zum Brandschutz, sowie der Baubeginn angezeigt worden sein. Im Rahmen des Prüfumfangs vermittelt die Baugenehmigung Bestandsschutz.

 

Es wird nicht mehr die Vereinbarkeit des Vorhabens mit den öffentlich-rechtlichen Vorschriften schlechthin geprüft (Baugenehmigung als Unbedenklichkeitsbescheinigung), sondern nur noch die im Prüfprogramm vorgesehenen Vorschriften. Zu prüfen ist danach in jedem Fall:

 

-       die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens, so auch die Erteilung von Ausnahmen und Befreiungen,

-       aufgedrängtes Fachrecht, wie z. B. Entscheidungen zu naturschutzrechtlichen Eingriffen,

-       Anträge auf Abweichungen vom Bauordnungsrecht, z. B. Abstandsflächen.

 

Durch die Beschränkungen der Prüfprogramme sollen die Genehmigungsverfahren beschleunigt werden.

 

Zwar holt die Bauaufsichtsbehörde nach wie vor die für das Vorhaben erforderlichen fachrechtlichen Zulassungen ein (z. B. denkmalschutzrechtliche Genehmigung, naturschutzrechtliche Genehmigung). Wird aber die Zulassung durch die Fachbehörde verweigert oder nicht rechtzeitig vor Ablauf der Frist im Baugenehmigungsverfahren erteilt, hat die untere Bauaufsichtsbehörde die Baugenehmigung zu erlassen. Sie ist lediglich auf das o. g. Prüfprogramm beschränkt. Auch hat die Bauherrin oder der Bauherr einen Anspruch auf die Erteilung der Baugenehmigung, wenn die im Prüfprogramm  zu prüfenden Vorschriften dem Vorhaben nicht entgegenstehen.

 

Liegen zum Zeitpunkt der Erteilung der Baugenehmigung noch nicht alle fachrechtlichen Zulassungen vor, hat sich der Bauherr selbst um die Erteilung zu kümmern. Sofern er den Bau beginnt, ohne dass die erforderlichen fachrechtlichen Zulassungen vorliegen, kann die jeweils zuständige Fachbehörde gegen das Vorhaben einschreiten.

 

b) Was ändert sich für die Gemeinde?

Für die Gemeinden ändert sich in den bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren, dass die Bauherrin und Bauherren ihre Bauanträge künftig direkt bei der unteren Bauaufsichtsbehörde einzureichen haben. Die Gemeinde gibt mit Kenntnisnahme des Bauantrages zunächst eine Stellungnahme ab. Dafür übersendet die untere Bauaufsichtsbehörde den eingegangenen Bauantrag unverzüglich, noch bevor sie mit ihrer Prüfung beginnt. In der Stellungnahme der Gemeinde ist noch nicht die Erteilung eines ggf. erforderlichen Einvernehmens zu sehen. Zweck der ersten Stellungnahme ist lediglich ein Informationsaustausch zwischen Gemeinde und untere Bauaufsicht. Wird ein Antrag doch versehentlich noch bei der Gemeinde eingereicht, sollte sie den Antrag nach Rücksprache mit der Antragstellerin oder dem Antragsteller an die zuständige Behörde weiterleiten.

 

Die Änderung im Verfahrensgang soll die Digitalisierung der bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren flankieren.

 

2. Genehmigungsfreistellungsverfahren

 

a) Hintergrund

Das Genehmigungsfreistellungsverfahren ermöglicht das Bauen ohne Baugenehmigung

-       nach Festsetzungen eines qualifizierten Bebauungsplans,

-       wenn die Gemeinde sich nicht innerhalb eines Monates gegen das Vorhaben erklärt.

 

Bei der Genehmigungsfreistellung handelt es sich um das „Expressverfahren“ zur Baufreigabe. Die Verfahrensbeschleunigung ist hier möglich, weil ein B-Plankonformes Bauen regelmäßig keine bauplanungsrechtlichen Konflikte aufwirft. Es werden in diesem Verfahren auch keine Ausnahmen oder Befreiungen betrachtet.

 

Die Genehmigungsfreistellung kommt nicht für Sonderbauten oder für Vorhaben in der Nähe eines sog. Störfallbetriebes in Betracht.

 

Das Erfordernis der Erstellung bzw. bauaufsichtlichen Prüfung bautechnischer Nachweise bleibt unberührt.

 

Bei dem Genehmigungsfreistellungsverfahren handelt es sich nicht um ein Genehmigungsverfahren. Auch erhält die Bauherrin der Bauherr keine Baugenehmigung. Rechtsfolge der Genehmigungsfreistellung ist, dass das Vorhaben nach Ablauf der Monatsfrist genehmigungsfrei gestellt und somit ohne Baugenehmigung ins Werk gesetzt werden kann. Was den Bestandsschutz angeht, kann also lediglich geltend gemacht werden, dass die Anlage zum Zeitpunkt der Errichtung den öffentlich-rechtlichen Vorschriften entsprach.

 

Das Genehmigungsfreistellungsverfahren ist im Wesentlichen ein bauaufsichtliches Anzeigeverfahren. Es soll sicherstellen, dass

-       die Bauaufsichtsbehörde beim Vorliegen einer konkreten Gefahr für die öffentliche Sicherheit einschreiten kann und

-       die Gemeinde rechtzeitig vor Ausführung des Vorhabens insbesondere über Maßnahmen zur Sicherung der Bauleitplanung entscheiden kann (wobei die Gemeinde auch aus anderen Gründen die Überleitung in ein vereinfachtes Verfahren verlangen kann).

 

Der Antrag auf Genehmigungsfreistellung ist – wie bisher – bei der Gemeinde einzureichen. Die Gemeinde leitet den Antrag und die Unterlagen dann unverzüglich an die untere Bauaufsicht weiter. Die Monatsfrist beginnt erst dann zu laufen, wenn die Bauvorlagen vollständig vorliegen.

 

b) Was ändert sich für die Gemeinde?

Die Position der Gemeinde im Genehmigungsfreistellungsverfahren ist durch das neue Recht erheblich gestärkt worden. Denn nur sie ist künftig in der Lage das Verfahren zu gestalten, d. h. entweder die Durchführung eines vereinfachten Genehmigungsverfahrens zu verlangen oder vor Ablauf der Monatsfrist eine Freistellungserklärung zu erteilen.

 

Dennoch handelt es sich nach wie vor um ein bauaufsichtliches Verfahren, da ja die untere Bauaufsicht prüft, ob der Geltungsbereich des Freistellungsverfahrens eröffnet ist und ob die Bauvorlagen vollständig sind. Daher fertigt auch die untere Bauaufsichtsbehörde den Gebührenbescheid.

 

Hinweis:

Die Gemeinde kann die Umstellung ins vereinfachte Verfahren aus verschiedenen Gründen wählen, etwa weil Befreiungen oder Ausnahmen vom Bebauungsplan notwendig werden (welche häufig nicht beantragt werden). Die Gemeinden haben bezüglich der Umstellung keine Begründungspflicht.

 

Im Geltungsbereich einer Erhaltungssatzung wird das Verfahren beispielsweise immer umgestellt.

 

3. Verfahrensfreie Vorhaben; Abweichungen, Ausnahmen und Befreiungen vom Ortsrecht

 

a) Hintergrund

Im Regelfall bedarf die Errichtung oder Änderung bzw. Nutzungsänderung einer Anlage einer Baugenehmigung. Von diesem Grundsatz abweichend sind die in § 61 Abs. 1 (früher § 63) aufgeführten Anlagen verfahrensfrei. Verfahrensfrei bedeutet nicht rechtsfrei.

 

Zwar verzichtet das Gesetz bei verfahrensfreien Vorhaben auf die präventive Kontrolle durch ein bauaufsichtliches Genehmigungsverfahren, die öffentlich –rechtlichen Anforderungen sind durch die Bauherrin oder den Bauherrn aber dennoch einzuhalten. Fachrechtliche Genehmigungen (Denkmalschutz, Naturschutz) sind durch die Bauherrin oder den Bauherrn selbst einzuholen. Entsprechende gilt für die Beantragung von Abweichungen bzw. von Ausnahmen und Befreiungen nach § 31 BauGB.

 

b) Was ändert sich für die Gemeinde?

Grundsätzlich entscheidet die untere Bauaufsichtsbehörde über die Erteilung von Abweichungen bzw. Ausnahmen und Befreiungen. Von diesem Grundsatz abweichend ist bei verfahrensfreien Vorhaben künftig die Gemeinde zuständig.

 

Die Gemeinde entscheidet über Abweichungen vom Ortsrecht im pflichtgemäßen Ermessen.

 

Die Entscheidung der Gemeinde ergeht als Verwaltungsakt. Da es sich materiell um eine bauaufsichtliche Entscheidung handelt, stehen der Gemeinde dafür Gebühren des Gebührentarifs der Baugebührenordnung zu. Die Gemeinde ist auch entscheidungszuständig für die Erteilung eines ggf. erforderlichen Widerspruchsbescheides.

 

Beispiele:

-       Webeanlagen welche verfahrensfrei sind, aber gegen die Ortsgestaltungssatzung verstoßen.

-       Fenster und Türen, welche verfahrensfrei sind, aber gegen gestalterische Festsetzungen im Bebauungsplan verstoßen (Form, Größe, Farbe).

-       Abweichung von der im Bebauungsplan festgesetzten Dachfarbe.

-       Errichtung einer Terrasse, wenn die GR/GRZ im Bebauungsplan bereits erschöpft bzw. mit der Terrasse überschritten wird. Das Gleiche gilt für die Errichtung von Markisen, Eingangsüberdachungen, Pergolen usw.

-       Wenn Garagen/Gartenhütten nur innerhalb des Baufensters zulässig sind, diese aber außerhalb errichtet werden sollen.

 

4. Stellplatzsatzung

 

a) Hintergrund

Um den durch die Errichtung oder die Änderung eines Vorhabens entstehenden Stellplatzbedarf zu decken, ist die Bauherrin oder der Bauherr verpflichtet, die notwendigen Stellplätze und Garagen bzw. Abstellanlagen für Fahrräder herzustellen. Die Anzahl und Größe der notwendigen Stellplätze richtet sich nach Art und Anzahl der tatsächlich vorhandenen und zu erwartenden Kraftfahrzeuge und Fahrräder der ständigen Benutzerinnen und Benutzer und der Besucherinnen und Besucher der Anlagen.

 

Um den Gesetzesvollzug zu erleichtern, sind künftig Mindestanforderungen für den Bedarf Stellplätzen, Garagen und Abstellanlagen für Fahrradanlagen im mehrgeschossigen Wohnungsbau vor. Danach gilt die Regelvermutung, dass eine Anzahl von 0,7 Stellplätzen je Wohnung ausreichend ist. Besteht eine günstige Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr oder ist aufgrund eines kommunalen Mobilitätskonzeptes zu erwarten, dass ein geringerer Stellplatzbedarf besteht, genügt die Anzahl von 0,3 Stellplätzen je Wohnung.

 

b) Was ändert sich für die Gemeinden?

Das neue Recht erweitert die Befugnis der Gemeinde, die Pflicht zur Herstellung von Stellplätzen sowie die Ablösung der Herstellungspflicht in Geld zu regeln. Künftig kann die Gemeinde nicht nur die Zahl der notwendigen Stellplätze und Garagen bzw. Abstellanlagen für Fahrräder regeln, sondern auch deren Beschaffenheit.

 

Was die Ablösung der Herstellungspflicht angeht, wird diese zukünftig eine Regelung in der Stellplatzsatzung voraussetzen. Es gilt keine Ablöse ohne Stellplatzsatzung. Das bloße Einverständnis der Gemeinde zu einer Ablöse genügt nicht mehr.

 

Soll gänzlich auf die Herstellung von Stellplätzen verzichtet werden, ist dies auch ohne Stellplatzsatzung möglich.

 

Hinsichtlich der Zahl der notwendigen Stellplätze in der Stellplatzsatzung kann sich nach wie vor an der Richtwerttabelle des vormaligen Stellplatzerlasses orientiert werden.

 

5. Was ändert sich noch?

 

Verfahrensfreie Garagen und gebäudeunabhängige Solaranlagen können nun mit einer mittleren Wandhöhe von 3 m errichtet werden (max. 9 m Länge). Verfahrensfreie Garagen werden auf eine Brutto-Grundfläche von 30 m² beschränkt.

 

Einfriedungen, Zäune und Stützwände können verfahrensfrei bis zu einer Höhe von 2 m errichtet werden (vorher 1,50 m).

 

Vollgeschosse benötigen eine Höhe von mindestens 2,30 m (vorher 2,40 m). Für Aufenthaltsräume in Wohngebäuden der Gebäudeklassen 1 und 2 genügt eine lichte Höhe von 2,30 m.

 

Luft-Wasser-Wärmepumpen und ähnliche Anlagen müssen zu benachbarten Grundstücksgrenzen einen Abstand von 3 m einhalten.

 

Die Abstandsflächen von 6 m zur Grundstücksgrenze bei Weichdächern gilt nun für Gebäude der Gebäudeklassen 1 und 2 (vorher nur Gebäudeklasse 1).